Gastbeitrag von Tim Holt, Mitglied des Vorstands der Siemens Energy AG Fotos AdobeStock, Ai Inspire

Die Versorgung mit Rohstoffen gehört ganz oben auf die politische Agenda. Der Risikomix für die Energiewende ist umfangreicher geworden: In den letzten Jahren haben Preisschwankungen, Lieferengpässe und neue geopolitische Herausforderungen den schnellen Zugang zu bezahlbarer und sicherer Energie zunehmend erschwert.

Gleichzeitig steigt die Notwendigkeit für immer größere Investitionen. Der wachsende Energiebedarf macht es erforderlich, die Stromnetze, das Rückgrat unserer Energieversorgung, stetig auszubauen. Nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Die Industrie muss dafür ihre Kapazitäten nachhaltig hochfahren.

Wird die künftige Verfügbarkeit von Rohstoffen mit dem raschen Nachfragewachstum Schritt halten können? Dies ist eine zentrale Frage, die sich alle Technologiehersteller im Dienste der Energiewende stellen – vor allem unter der Maßgabe, dass die Rohstoffe aus verantwortungsvollen Quellen stammen sollten. Aufgrund steigender Nachfrage und hoher Preise hat sich der Markt für die wichtigsten Mineralien, die es für die Energiewende braucht, in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Im Jahr 2022 hatte er ein Volumen von 320 Milliarden US-Dollar erreicht. Es sind vor allem Kobalt, Lithium, Kupfer, Nickel und seltene Erden, die in zahlreichen Technologien stecken, die für den Klimaschutz zentral sind. Dazu gehören Windräder, Solaranlagen, E-Autos und auch Stromnetze.

Sieht man sich allein den deutschen Ausbaubedarf im Bereich der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnologie an Land und auf See an, sprechen wir von circa 80 Gigawatt elektrischer Leistung, die bis 2035 über weite Strecken durch Deutschland transportiert werden sollen. In den Hauptkomponenten wie Transformatoren und Konverteranlagen müssen schätzungsweise eine Million Tonnen Kupfer verbaut werden. Das entspricht dem Materialbedarf an Kupfer von circa 19 Millionen Elektroautos.

Derart „kritische Metalle“ müssen daher auf der politischen Agenda jetzt rasch nach oben rücken. Gleichzeitig muss die Industrie zunehmend neue Möglichkeiten des Recyclings erforschen, erproben und umsetzen. Wir bei Siemens Energy haben zum Beispiel bei Transformatoren einen solchen Weg gefunden. Sie bestehen größtenteils aus Kupfer und Stahl und werden nach einer gewissen Laufzeit entweder überholt (und dabei gleichzeitig sogar ihre Effizienz gesteigert) oder, wenn eine Aufarbeitung nicht infrage kommt, recycelt. So können unsere Zulieferer über 95 Prozent des Gewichts unserer Transformatoren vollständig wiederverwenden. Auf diese Weise können wir den Ressourcenkreislauf schließen.

#Starkstrom

Als Hobbyelektriker wissen wir alle – drei Kabel führen zur Deckenlampe. Phase, Neutralleiter, Schutzleiter. Beim Starkstrom kommen zwei Kabel dazu. Hier gilt: Nur die Profis ranlassen!

Tim Holt ist seit April 2020 Mitglied des Vorstands der Siemens Energy AG. Er ist verantwortlich für den Geschäftsbereich Grid Technologies sowie die Regionen Nord- und Südamerika.

Eine erfolgreiche Energiewende erfordert allerdings nicht nur die richtigen Mengen an Rohstoffen, es braucht auch die Menschen, die diese Rohstoffe verarbeiten, die die Anlagen bauen, die Projekte planen und umsetzen. In Deutschland war im Jahr 2022 die größte Fachkräftelücke dem Berufsbereich „Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung“ zuzuordnen. Hier standen bundesweit rechnerisch für rund 163.700 offene Stellen keine entsprechend qualifizierten Arbeitssuchenden zur Verfügung.

Auch bei Siemens Energy suchen wir erfahrene Fachleute, Expertinnen und Experten, Nachwuchskräfte und viele weitere Menschen, die mit uns aktiv die Stromnetze der Zukunft gestalten wollen. Dafür bauen wir gerade auch unsere Partnerschaften mit Hochschulen sowie unsere internen Entwicklungsprogramme aus. Das Recruiting bleibt dennoch eine Herausforderung, denn die gesamte Branche ächzt unter dem Fach­kräftemangel und konkurriert weltweit um die besten Talente am Markt.

Für eine erfolgreiche Energiewende ist daher auch die Politik gefragt. Neben einer schlüssigen und nachhaltigen Fachkräftestrategie müssen stabile Rahmenbedingungen für die Branche gegeben sein, um die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg – und damit für sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze – zu schaffen. Beim Netzausbau gehören dabei zum Beispiel die weitere Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren dazu, um Fachkräfte nicht länger als nötig in Projekten zu binden.

Vor uns liegt also eine Mammutaufgabe. Klar ist aber auch: ohne ein zuverlässiges Stromnetz kann und wird die Energiewende nicht gelingen. Eine sichere und nachhaltigere Energiezukunft können wir nur schaffen, wenn wir sektor-, branchen- und länderübergreifend gemeinsam die Herausforderungen angehen. Dafür braucht es Innovationen, starke Partnerschaften und den kontinuierlichen Dialog zwischen Politik, Industrie und Gesellschaft.

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